Papas, lasst uns über die (erste) Periode reden
Wir leben im Jahr 2022. Aus meiner Sicht als vierfacher Papa sollte es heutzutage normal sein, mit seinen Kindern über die körperlichen (und psychischen) Veränderungen während der Pubertät zu sprechen. Dazu gehört bei Mädchen in aller Regel auch das Thema Menstruation. Es ist einige Wochen her, als meine gerade sieben Jahre alt gewordene Tochter mit mir über genau dieses Thema sprechen wollte.
Nicht unbedingt, weil sie jederzeit damit rechnet, ihre erste Periode zu bekommen, sondern weil sie wissen wollte, ob sie dann auch noch bei uns wohnen könne oder nur noch bei Mama. Sie lebt – wie ihre beiden großen Brüder – im Wechselmodell, also hälftig bei ihrer Mama und deren Mann und der gemeinsamen Tochter und hälftig bei mir, meiner Frau und unserer gemeinsamen Tochter.
Papa und die Periode – passt das zusammen?
Irgendwie war es also ein Anliegen herauszufinden, ob sie auch noch bei uns wohnen könne, wenn sie ihre Periode bekäme (oder hätte). Natürlich habe ich ihr gesagt, dass das gar kein Problem wäre und wir dann entsprechend vorsorgen würden und die wichtigsten Hygieneprodukte im Badezimmer deponieren würden. Mit der Aussage „Bei Mama stehen auch immer Tampons im Bad.“ war das Gespräch für sie beendet und sie war mit der Info soweit zufrieden.
Ich auch, zumindest für den ersten Moment. Dann aber habe ich ein wenig recherchiert und stieß auf ein Perioden-Kit eines großen Herstellers für Menstruationsprodukte, das speziell für die erste Periode bei Mädchen konzipiert ist. Dieses kann man kostenfrei online bestellen und bekommt es dann zugeschickt – mitsamt einiger Proben an Slipeinlagen, Binden sowie auch weiterem Informationsmaterialien. Mit diesem Kit soll jungen Mädchen Sicherheit gegeben werden, dass sie während ihrer (ersten) Menstruation always geschützt sein können.
Die erste Menstruation: Ein Thema nur für Mädchen und ihre Mamas?
Es dauerte einige Wochen bis der Umschlag mit eben jenem Kit bei uns zuhause im Briefkasten lag und ich hineinschauen konnte. Zumindest ins Begleitschreiben, denn den Umschlag mit den einzelnen Proben und Co. öffne ich erst in einigen Tagen gemeinsam mit meiner Tochter. Doch das Begleitschreiben und der zugehörige Flyer führten mich geradewegs zurück. Zurück in längst vergangene Zeiten.
Denn diese Begleitschreiben richten sich in erster Linie zwar an die Mädchen, die ihre erste Periode möglicherweise schon erwarten, außerdem aber alleine an die zugehörigen Mamas. Dass man auch als Papa mit seiner Tochter über die Periode sprechen könnte oder entsprechend vorsorgen könne, dass passende Produkte im Haus sind, wenn es denn soweit sein sollte, scheint für den Hersteller überhaupt keine Rolle zu spielen.
Die erste Periode? Scheint hier nur ein Thema für Mädchen und ihre Mütter zu sein. Väter? Ach, die können solange mit den Jungs im Garten Fußball spielen. Oder wie darf ich das deuten?
Eine Anfrage an das entsprechende Unternehmen blieb unbeantwortet. Stellt sich mir die Frage, ob es am hohen Aufkommen an Anfragen von Kund:innen liegt oder ob man die Frage lieber gar nicht erst beantworten möchte. Sollte noch eine Rückmeldung kommen, werde ich das an dieser Stelle natürlich ergänzen.
Erst nach neun Tagen kam eine Rückmeldung vom Consumer Care des betreffenden Konzerns. Darin heißt es unter anderem, dass man versuche „all die einzigartigen Erfahrungen derer zu respektieren, die unsere Produkte verwenden.“ Und weiter: „Wir entschuldigen uns aufrichtig dafür, dass dies diesmal nicht geschehen ist, und schätzen Ihre Vorschläge, wie wir unsere Kommunikation verbessern können.“
Regelmäßige Prüfung der Inhalte – eine vage Aussage
Regelmäßig würde man alle Inhalte überprüfen und dies auch bei den Werbematerialien tun. Bei den bereits gedruckten Materialien sei dies nicht mehr möglich, „aber alle neu produzierten Materialien werden hinsichtlich der Ansprache der Eltern aktualisiert. Dies konnten wir bereits in unserem digitalen Kommunikationsmaterial ändern.“
Immerhin, auch wenn die Rückmeldung, die übrigens mit einer Entschuldigung für meine Erfahrungen endet, ein wenig dürftig erscheint und auch nicht unbedingt zu 100 Prozent zu meiner Anfrage passt. Denn konkrete Vorschläge für eine Anpassung habe ich gar nicht gemacht.
Ich habe dazu den Eindruck, dass man mein Anliegen gar nicht so recht verstanden hat oder in dem ganzen Prozedere gar kein Problem erkennen kann. Wie gesagt: das ist mein Eindruck, kann stimmen, muss es aber nicht. Dennoch hätte ich mir ein wenig mehr gewünscht, man würde auf den Zeitgeist eingehen und das Jahr 2022 verstärkt in den Fokus rücken – und damit auch die Thematik, dass sich eben auch Väter mit der (ersten) Periode ihrer Kinder befassen können und dürfen, wenn nicht sogar sollten und müssen.
Sehe ich das zu eng?
Es mag aber auch sein, dass ich die Sache zu eng sehe und die Thematik gar nicht so dramatisch ist. Andererseits denke ich, dass wir in Zeiten von #metoo und gendergerechter Sprache auch die andere Seite mal betrachten müssen. Viele Väter möchten sich nun mal im Leben ihrer Kinder verstärkt einbringen und beispielsweise Beruf und Familie miteinander in Einklang bringen.
Und dazu gehört eben auch die pubertäre Entwicklung der Kinder, gleich welchen Geschlechts.
Meine Meinung zum Schluss
Wie eingangs erwähnt: Wir leben im Jahr 2022. Und damit sehe ich es als Papa, vor allem als Papa, der seine (drei großen) Kinder im Wechselmodell erzieht und betreut, als selbstverständliche Aufgabe an, meinen Töchtern auch in Fragen rund um die Menstruation zur Seite zu stehen und ihnen Fragen zu beantworten oder durch das Beschaffen entsprechender Hilfsmittel vorzusorgen.
Und mal ehrlich: bisher ging es nur um Slipeinlagen und Binden, von Tampons oder Menstruationstassen oder gar freier Menstruation haben wir noch gar nicht gesprochen.
Ich bin 1988 in Emden geboren, Papa von Liam, Jano, Nora und Mila und arbeite als Redakteur bei einer Lokalzeitung.